Alles Lebendige bildet eine Atmosphäre um sich her

Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen. Aphorismen und Aufzeichnungen. 

Wie ist der Begriff Atmosphäre im Sinne Goethes zu verstehen?
Atmosphäre kommt aus dem Altgriechischen und setzt sich zusammen aus atmós, was soviel heisst wie „Dampf, Dunst, Hauch“, und sphaira „Kugel“.
Goethe entwickelte früh einen Sinn für die Schönheiten der Natur. Es spricht viel dafür, dass er heute ein starker und aktiver Verfechter des ökologischen Landbaus wäre! Weshalb?
Goethe scheute keine Mühe, Ganzheiten und Zusammenhänge in ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität zu betrachten. Er wusste, dass die Welt sonst unverständlich bleibt.

So lässt er Mephistopheles in seinem Faust I sagen: „Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben, sucht erst den Geist herauszutreiben, dann hat er die Teile in seiner Hand, fehlt, leider, nur das geistige Band …“

Spricht man über Bio und Gesundheit im Sinne eines erweiterten Gesundheitsbegriffes, müssen Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit, sauberes Wasser, gesunde robuste Pflanzen, das Wohl und die Gesundheit der Tiere, die Atmosphäre der Erde und auch die Ernährungsgewohnheiten der Menschen in die Betrachtung einbezogen werden, weil diese Dinge zusammenhängen, einander bedingen und beeinflussen. Das macht die Sache komplex und vielschichtig, aber auch interessant.

Wie Bauern wirtschaften und Produzenten Lebensmittel herstellen, hat wesentlichen Einfluss darauf, ob die Belastungsgrenzen unseres Planeten im Hinblick auf Nachhaltigkeit respektiert oder die Öko-Systeme zerstört werden.

„Wer zum Glück der Welt beitragen möchte,
der sorge zunächst einmal für eine glückliche Atmosphäre in seinem eigenen Haus.“

Eines der Grundprinzipien des Ökolandbaus ist ja:
„Der Ökolandbau soll die Gesundheit des Bodens, der Pflanzen, der Tiere, des Menschen und des Planeten als ein Ganzes und Unteilbares bewahren und stärken.“

Vom Acker bis zum Teller enkeltauglich zu wirtschaften, das bedeutet, die Gesundheit des Einzelnen auch durch ein gesundes Gesamtsystem zu stärken.

Ökologisch wirtschaftende Bauern haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Fruchtbarkeit unserer Böden dauerhaft zu erhalten und aufzubauen. Was sie tun, geht über ihre betriebswirtschaftlichen Belange hinaus, hat gemeinnützigen Wert und verdient unser Verständnis und auch unsere finanzielle Unterstützung und Förderung.

Wir müssen uns aber als Gesellschaft fragen, welche Unterstützung die Bauern brauchen, um diese wichtige Aufgabe im Sinne des Gemeinwohls, also für uns alle, erfüllen zu können. Und dann müssen wir ihnen die Unterstützung, die sie brauchen, auch gewähren.

Um genau das zu tun, haben wir den Bodenfruchtbarkeitsfonds ins Leben gerufen.

Heute liegt der Marktanteil des Biolandbaus weltweit bei ca. 5%. Das ist erschreckend wenig. Wie konnte es dazu kommen? Auch das ist eine komplexe Frage. Aus meiner Sicht liegt eine der wesentlichen Ursachen in unserem heutigen Verständnis von Wirtschaft, und zwar in der Theorie und auch in der Praxis. Das immer noch sehr weit verbreitete rein Rendite orientierte und Gewinn maximierende Denken und Handeln verengt den Blick und verschliesst ihn vor der Wirklichkeit. Dieses Denken ist eine Art Glyphosat für den gesunden Menschenverstand! Glyphosat steht hier als Synonym für alle synthetischen Herbizide, Pestizide und Fungizide, ja für Gifteinsätze in der Landwirtschaft und Natur überhaupt.

Der ungezügelte Kapitalismus und Gewinn maximierendes Denken sind, aus der historischen Perspektive betrachtet, Denkstrukturen, die in einem sehr kurzen Zeitraum zu Denk-Monokulturen geworden sind.

Die überall zu beobachtenden katastrophalen Folgen sind eine logische Folge davon.

Dieses Denken ist eine stark verengte und selbstbezogene Sicht auf die Welt, die aber massiv die geistige, soziale und natürliche Atmosphäre prägt, angreift und zerstört. Sie hat vor allem deshalb eine so gewaltige Zerstörungskraft, weil sie, insbesondere in der westlichen Welt, aber auch weltweit, einen zur Diktatur neigenden Allmachts- und Herrschaftsanspruch erhebt. Es ist diejenige Form des Denkens und Handelns, die heute auch die Landwirtschaft massgeblich prägt und die überwiegende Mehrheit der Bauern und auch der Verbraucher in extreme Abhängigkeitsverhältnisse zu einigen wenigen multinationalen Konzernen gebracht hat. Längst ist erwiesen, dass sich die Methoden der umfassenden Vergiftung in der Landwirtschaft verheerend auf die Artenvielfalt, die Wasserqualität und unsere Gesundheit auswirken und auch volkswirtschaftlich gesehen mehr Schaden als Nutzen bringen.

Freiheit ist ein hohes Gut. Jeder soll auf seinem Land tun können, was er will. Aber wie weit kann die Freiheit gehen, wenn die Lebensgrundlagen, die Gesundheit und das Leben von Menschen gefährdet werden und Schätze der Artenvielfalt unwiederbringlich verloren gehen?

Seit Jahrzehnten ist erwiesen, dass es funktionierende Alternativen gibt. Es wird immer deutlicher, dass das Agrar-Business-Modell von Monsanto, Bayer, Syngenta und Co. ein Tod bringendes im umfassenden Sinne ist und bald Geschichte sein sollte, wenn wir die Vielfalt des Lebens schützen und als Menschheit überleben wollen. Die Frage ist, was wir tun können, um diesen Prozess zu beschleunigen und auch, wie wir verhindern können, dass Leben zerstörende Landwirtschaftsmethoden weiterhin künstlich am Leben erhalten und auch noch stark subventioniert werden!

Ein grosser Landmaschinenhersteller teilte mir vor kurzem mit, wie er auf Feldern in den USA gesehen hat, dass genveränderte Pflanzenrückstände, zum Beispiel von Mais, nicht mehr verrotten. Sie sind wie mumifiziert. Das Bodenleben ist nicht mehr in der Lage, diese zu zersetzen.

Eine solche Landwirtschaft verbreitet eine Atmosphäre des Todes um sich her. Sie hat ihre Wurzeln in einem von der lebendigen Wirklichkeit abgekoppelten und diese umfassend ignorierenden Denken.

Es gibt ein interessantes Projekt, das Sounding Soil Projekt, (https://soundmap.soundingsoil.ch/index.html), wo die Geräusche im Boden mit hochsensiblen Mikrofonen aufgezeichnet wurden. Die grossen und kleinen Lebewesen im Boden bewegen sich, es raschelt, es findet offenbar Kommunikation statt. Es wurden bei dem Projekt verschiedene Böden „belauscht“. Ergebnis: Biodiverse, ökologische und gesunde Böden sprühen nur so vor Vitalität, sie klingen … In intensiv bewirtschafteten Monokulturböden dagegen herrscht nahezu Totenstille.

Bäuerliche Agrikultur, wie sie weltweit von Bäuerinnen und Bauern vertreten und praktiziert wird, ist eine komplexe Kunst der Kooperation mit dem Leben. Diese ist etwas, was wachsen und sich ausbreiten sollte.

Hier können wir von Wachstum ausnahmsweise mal gar nicht genug bekommen. Hier gehört der Gedanke des ewigen Wachstums hin, in die Qualitätssphäre!

Doch was machen solche Bäuerinnen und Bauern anders? Was zeichnet sie aus? Sie stellen sich immer neue Fragen und sind mit dem, was sie erreicht haben, nicht zufrieden. Dies bezieht sich aber nicht so sehr auf die quantitative als viel mehr auf die qualitative Seite! Sepp Braun zum Beispiel ist bestrebt, dass seine Böden so fruchtbar werden wie Waldboden. Wer Waldboden mal angefasst, an ihm gerochen, seine dunkle Farbe gesehen hat, der weiss, wie ambitioniert das ist. Ackerboden auf dem Qualitätsniveau von Waldboden. Ambitionierter geht fast nicht.

Ökobauern haben etwas sehr wichtiges verstanden. Sie ernähren nicht die Pflanzen, die auf ihren Äckern wachsen, sondern das Bodenleben, damit dieses den Boden so aufbereiten kann, dass die Pflanzen aus ihm herauslösen können, was sie brauchen. Es ist eine Agrarkultur, die mit dem Leben und der Natur arbeitet, nicht gegen sie.

Der Begriff der Agrikultur macht deutlich, dass es auch, oder vor allem um Kultur geht und nicht nur einseitig um Wirtschaft. Eine gesunde Agrikultur beinhaltet selbstverständlich die wirtschaftlich-ökonomischen Aspekte, aber sie beschränkt sich nicht darauf, sondern berücksichtigt das Leben in seiner Vielfalt und begegnet ihm mit Respekt. Sie respektiert und fördert die Biodiversität, hat ein Bewusstsein für die Mitverantwortung für die Lebendigkeit des Bodens.

Bäuerliche Agrikultur wird aus sich heraus nie Monokulturen hervorbringen, da sie ihren Ursprung im selbständigen Denken, Beobachten und Handeln eines immer bewusster werdenden Individuums hat.

Sie urständet immer in einem Menschen, der beginnt, sich selbst Fragen zu stellen, der anfängt, auf die Kraft seines eigenen Verstandes zu bauen – eines erfahrungsgetränkten Verstandes, gebildet, geschult und täglich korrigiert an den eigenen Wahrnehmungen auf dem Feld, im Wald, im Stall oder anderswo in der Wirklichkeit.

Diese Menschen beginnen dann auffallend oft, seien es Frauen oder Männer, mehr Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen und die Konsequenzen ihrer Handlungen auf Boden, Wasser, Luft und so weiter mit zu bedenken, mit der Absicht, diese immer weniger zu schädigen und zu zerstören, ja, diese sogar wieder aufzubauen und zu regenerieren. Bauern, die durch solche Bewusstseinsprozesse gehen, werden sich irgendwann verstärkt für die Methoden des Ökolandbaus interessieren. Die wachsende Nachfrage der Verbraucher nach Bioprodukten kommt ihnen dabei entgegen. Es ist wichtig, dass Bauern, die andere Wege als bisher gehen und umstellen wollen, Hilfe erhalten, um diesen Schritt zu tun, weil er viel Mut und selbstverständlich zusätzlichen Aufwand erfordert.

Biologisch wirtschaftende Bauern wollen und können die Verantwortung für unsere Gemeingüter wieder selber übernehmen, was natürlich einen höheren Preis rechtfertigt und zusätzliche Unterstützung aus der Gesellschaft benötigt.

Aus der Lebendigkeit und Kreativität eines solchen Denkens und Handelns können Charisma, Forscherneugier, Ausstrahlung und nachhaltige Wirksamkeit entstehen. Solche Menschen bilden nicht selten eine positive und lebendige Atmosphäre um sich her. Sie schaffen eine Potenzialität, aus der heraus sie nun anders tätig werden können. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, in eine neue Beziehung mit sich selbst, seinem sozialen Umfeld, aber auch mit den Tieren, den Pflanzen und dem Boden zu treten. Dadurch kann eine positive und anziehende Ausstrahlung auf dem ganzen Hof entstehen. Der Hof bildet quasi eine neue Atmosphäre um sich her. Auch Tiere, die respektvoll und wesensgemäss behandelt werden, sowie Pflanzen, Böden und Wälder, alles bildet an dieser Atmosphäre mit und trägt zu ihr bei. Wo mehrere Bäuerinnen und Bauern das tun, können ganze Landschaften und Ökoregionen mit kraftvoller Ausstrahlung und Atmosphäre entstehen. Diese schenken dann wiederum ihre gesundende und regenerierende Kraft der Allgemeinheit, uns allen zurück.

Eines Tages, wenn alle Treuhänderinnen und Treuhänder des Bodens dies weltweit erkannt haben und in ihrer täglichen Arbeit umsetzen, wird auch die Atmosphäre der Erde, unseres lebendigen Planeten, keinen Grund zu einem hitzigen Fieber mehr haben und ihr Klima wird wieder gesunden und abkühlen können.

Wenn wir 4 Promille Humusaufbau pro Jahr auf den weltweiten Ackerflächen betreiben, wird dadurch der gesamte weltweite Co2-Ausstoss im Boden gebunden. Die Klimadebatte wäre damit unter Umständen schnell vom Tisch …!

Eine gesunde und positive Atmosphäre, also auch das Klima der Erde, beginnt mit einer Evolution des Denkens und Handelns von individuellen Menschen!

Albert Schweitzer sagte dazu: „Wer zum Glück der Welt beitragen möchte, der sorge zunächst einmal für eine glückliche Atmosphäre in seinem eigenen Haus.“
Das heisst in seinem eigenen Denken, Fühlen und Wollen, das sich dann im alltäglichen Tun spiegelt.

Unter anderem deshalb setzen wir uns als Bio-Stiftung und insbesondere mit dem Bodenfruchtbarkeitsfonds dafür ein, dass die Bauern die nötigen Freiräume erhalten, diese Atmosphäre auf dem eigenen Hof und Boden zu bilden. Solche Freiräume sind nötig, damit sie nicht Getriebene des Marktes sind, sondern freie Menschen werden können, die bewusst ihre Verantwortung wahrnehmen wollen und können. Diese Arbeit können wir als Bio-Stiftung nur tun, wenn freie und verantwortungsbewusste Individuen, Unternehmen und sonstige Förderer uns durch Spenden und Legate unterstützen, unsere Aktivitäten mittragen und mit ermöglichen. Das sind Investitionen in ein grosses Ganzes, und wenn dieses grosse Ganze gesunden kann, wirkt es auch gesundend auf jeden Einzelnen zurück.

Text: Mathias Foster

Mathias Forster ist Geschäftsführer und Stiftungsratsmitglied der Bio-Stiftung Schweiz und Vorsitzender der Projektleitung des Bodenfruchtbarkeitsfonds.

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Alles Lebendige bildet eine Atmosphäre um sich her

Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen. Aphorismen und Aufzeichnungen. 

Wie ist der Begriff Atmosphäre im Sinne Goethes zu verstehen?
Atmosphäre kommt aus dem Altgriechischen und setzt sich zusammen aus atmós, was soviel heisst wie „Dampf, Dunst, Hauch“, und sphaira „Kugel“.
Goethe entwickelte früh einen Sinn für die Schönheiten der Natur. Es spricht viel dafür, dass er heute ein starker und aktiver Verfechter des ökologischen Landbaus wäre! Weshalb?
Goethe scheute keine Mühe, Ganzheiten und Zusammenhänge in ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität zu betrachten. Er wusste, dass die Welt sonst unverständlich bleibt.

So lässt er Mephistopheles in seinem Faust I sagen: „Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben, sucht erst den Geist herauszutreiben, dann hat er die Teile in seiner Hand, fehlt, leider, nur das geistige Band …“

Spricht man über Bio und Gesundheit im Sinne eines erweiterten Gesundheitsbegriffes, müssen Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit, sauberes Wasser, gesunde robuste Pflanzen, das Wohl und die Gesundheit der Tiere, die Atmosphäre der Erde und auch die Ernährungsgewohnheiten der Menschen in die Betrachtung einbezogen werden, weil diese Dinge zusammenhängen, einander bedingen und beeinflussen. Das macht die Sache komplex und vielschichtig, aber auch interessant.

Wie Bauern wirtschaften und Produzenten Lebensmittel herstellen, hat wesentlichen Einfluss darauf, ob die Belastungsgrenzen unseres Planeten im Hinblick auf Nachhaltigkeit respektiert oder die Öko-Systeme zerstört werden.

„Wer zum Glück der Welt beitragen möchte,
der sorge zunächst einmal für eine glückliche Atmosphäre in seinem eigenen Haus.“

Eines der Grundprinzipien des Ökolandbaus ist ja:
„Der Ökolandbau soll die Gesundheit des Bodens, der Pflanzen, der Tiere, des Menschen und des Planeten als ein Ganzes und Unteilbares bewahren und stärken.“

Vom Acker bis zum Teller enkeltauglich zu wirtschaften, das bedeutet, die Gesundheit des Einzelnen auch durch ein gesundes Gesamtsystem zu stärken.

Ökologisch wirtschaftende Bauern haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Fruchtbarkeit unserer Böden dauerhaft zu erhalten und aufzubauen. Was sie tun, geht über ihre betriebswirtschaftlichen Belange hinaus, hat gemeinnützigen Wert und verdient unser Verständnis und auch unsere finanzielle Unterstützung und Förderung.

Wir müssen uns aber als Gesellschaft fragen, welche Unterstützung die Bauern brauchen, um diese wichtige Aufgabe im Sinne des Gemeinwohls, also für uns alle, erfüllen zu können. Und dann müssen wir ihnen die Unterstützung, die sie brauchen, auch gewähren.

Um genau das zu tun, haben wir den Bodenfruchtbarkeitsfonds ins Leben gerufen.

Heute liegt der Marktanteil des Biolandbaus weltweit bei ca. 5%. Das ist erschreckend wenig. Wie konnte es dazu kommen? Auch das ist eine komplexe Frage. Aus meiner Sicht liegt eine der wesentlichen Ursachen in unserem heutigen Verständnis von Wirtschaft, und zwar in der Theorie und auch in der Praxis. Das immer noch sehr weit verbreitete rein Rendite orientierte und Gewinn maximierende Denken und Handeln verengt den Blick und verschliesst ihn vor der Wirklichkeit. Dieses Denken ist eine Art Glyphosat für den gesunden Menschenverstand! Glyphosat steht hier als Synonym für alle synthetischen Herbizide, Pestizide und Fungizide, ja für Gifteinsätze in der Landwirtschaft und Natur überhaupt.

Der ungezügelte Kapitalismus und Gewinn maximierendes Denken sind, aus der historischen Perspektive betrachtet, Denkstrukturen, die in einem sehr kurzen Zeitraum zu Denk-Monokulturen geworden sind.

Die überall zu beobachtenden katastrophalen Folgen sind eine logische Folge davon.

Dieses Denken ist eine stark verengte und selbstbezogene Sicht auf die Welt, die aber massiv die geistige, soziale und natürliche Atmosphäre prägt, angreift und zerstört. Sie hat vor allem deshalb eine so gewaltige Zerstörungskraft, weil sie, insbesondere in der westlichen Welt, aber auch weltweit, einen zur Diktatur neigenden Allmachts- und Herrschaftsanspruch erhebt. Es ist diejenige Form des Denkens und Handelns, die heute auch die Landwirtschaft massgeblich prägt und die überwiegende Mehrheit der Bauern und auch der Verbraucher in extreme Abhängigkeitsverhältnisse zu einigen wenigen multinationalen Konzernen gebracht hat. Längst ist erwiesen, dass sich die Methoden der umfassenden Vergiftung in der Landwirtschaft verheerend auf die Artenvielfalt, die Wasserqualität und unsere Gesundheit auswirken und auch volkswirtschaftlich gesehen mehr Schaden als Nutzen bringen.

Freiheit ist ein hohes Gut. Jeder soll auf seinem Land tun können, was er will. Aber wie weit kann die Freiheit gehen, wenn die Lebensgrundlagen, die Gesundheit und das Leben von Menschen gefährdet werden und Schätze der Artenvielfalt unwiederbringlich verloren gehen?

Seit Jahrzehnten ist erwiesen, dass es funktionierende Alternativen gibt. Es wird immer deutlicher, dass das Agrar-Business-Modell von Monsanto, Bayer, Syngenta und Co. ein Tod bringendes im umfassenden Sinne ist und bald Geschichte sein sollte, wenn wir die Vielfalt des Lebens schützen und als Menschheit überleben wollen. Die Frage ist, was wir tun können, um diesen Prozess zu beschleunigen und auch, wie wir verhindern können, dass Leben zerstörende Landwirtschaftsmethoden weiterhin künstlich am Leben erhalten und auch noch stark subventioniert werden!

Ein grosser Landmaschinenhersteller teilte mir vor kurzem mit, wie er auf Feldern in den USA gesehen hat, dass genveränderte Pflanzenrückstände, zum Beispiel von Mais, nicht mehr verrotten. Sie sind wie mumifiziert. Das Bodenleben ist nicht mehr in der Lage, diese zu zersetzen.

Eine solche Landwirtschaft verbreitet eine Atmosphäre des Todes um sich her. Sie hat ihre Wurzeln in einem von der lebendigen Wirklichkeit abgekoppelten und diese umfassend ignorierenden Denken.

Es gibt ein interessantes Projekt, das Sounding Soil Projekt, (https://soundmap.soundingsoil.ch/index.html), wo die Geräusche im Boden mit hochsensiblen Mikrofonen aufgezeichnet wurden. Die grossen und kleinen Lebewesen im Boden bewegen sich, es raschelt, es findet offenbar Kommunikation statt. Es wurden bei dem Projekt verschiedene Böden „belauscht“. Ergebnis: Biodiverse, ökologische und gesunde Böden sprühen nur so vor Vitalität, sie klingen … In intensiv bewirtschafteten Monokulturböden dagegen herrscht nahezu Totenstille.

Bäuerliche Agrikultur, wie sie weltweit von Bäuerinnen und Bauern vertreten und praktiziert wird, ist eine komplexe Kunst der Kooperation mit dem Leben. Diese ist etwas, was wachsen und sich ausbreiten sollte.

Hier können wir von Wachstum ausnahmsweise mal gar nicht genug bekommen. Hier gehört der Gedanke des ewigen Wachstums hin, in die Qualitätssphäre!

Doch was machen solche Bäuerinnen und Bauern anders? Was zeichnet sie aus? Sie stellen sich immer neue Fragen und sind mit dem, was sie erreicht haben, nicht zufrieden. Dies bezieht sich aber nicht so sehr auf die quantitative als viel mehr auf die qualitative Seite! Sepp Braun zum Beispiel ist bestrebt, dass seine Böden so fruchtbar werden wie Waldboden. Wer Waldboden mal angefasst, an ihm gerochen, seine dunkle Farbe gesehen hat, der weiss, wie ambitioniert das ist. Ackerboden auf dem Qualitätsniveau von Waldboden. Ambitionierter geht fast nicht.

Ökobauern haben etwas sehr wichtiges verstanden. Sie ernähren nicht die Pflanzen, die auf ihren Äckern wachsen, sondern das Bodenleben, damit dieses den Boden so aufbereiten kann, dass die Pflanzen aus ihm herauslösen können, was sie brauchen. Es ist eine Agrarkultur, die mit dem Leben und der Natur arbeitet, nicht gegen sie.

Der Begriff der Agrikultur macht deutlich, dass es auch, oder vor allem um Kultur geht und nicht nur einseitig um Wirtschaft. Eine gesunde Agrikultur beinhaltet selbstverständlich die wirtschaftlich-ökonomischen Aspekte, aber sie beschränkt sich nicht darauf, sondern berücksichtigt das Leben in seiner Vielfalt und begegnet ihm mit Respekt. Sie respektiert und fördert die Biodiversität, hat ein Bewusstsein für die Mitverantwortung für die Lebendigkeit des Bodens.

Bäuerliche Agrikultur wird aus sich heraus nie Monokulturen hervorbringen, da sie ihren Ursprung im selbständigen Denken, Beobachten und Handeln eines immer bewusster werdenden Individuums hat.

Sie urständet immer in einem Menschen, der beginnt, sich selbst Fragen zu stellen, der anfängt, auf die Kraft seines eigenen Verstandes zu bauen – eines erfahrungsgetränkten Verstandes, gebildet, geschult und täglich korrigiert an den eigenen Wahrnehmungen auf dem Feld, im Wald, im Stall oder anderswo in der Wirklichkeit.

Diese Menschen beginnen dann auffallend oft, seien es Frauen oder Männer, mehr Verantwortung für das eigene Tun zu übernehmen und die Konsequenzen ihrer Handlungen auf Boden, Wasser, Luft und so weiter mit zu bedenken, mit der Absicht, diese immer weniger zu schädigen und zu zerstören, ja, diese sogar wieder aufzubauen und zu regenerieren. Bauern, die durch solche Bewusstseinsprozesse gehen, werden sich irgendwann verstärkt für die Methoden des Ökolandbaus interessieren. Die wachsende Nachfrage der Verbraucher nach Bioprodukten kommt ihnen dabei entgegen. Es ist wichtig, dass Bauern, die andere Wege als bisher gehen und umstellen wollen, Hilfe erhalten, um diesen Schritt zu tun, weil er viel Mut und selbstverständlich zusätzlichen Aufwand erfordert.

Biologisch wirtschaftende Bauern wollen und können die Verantwortung für unsere Gemeingüter wieder selber übernehmen, was natürlich einen höheren Preis rechtfertigt und zusätzliche Unterstützung aus der Gesellschaft benötigt.

Aus der Lebendigkeit und Kreativität eines solchen Denkens und Handelns können Charisma, Forscherneugier, Ausstrahlung und nachhaltige Wirksamkeit entstehen. Solche Menschen bilden nicht selten eine positive und lebendige Atmosphäre um sich her. Sie schaffen eine Potenzialität, aus der heraus sie nun anders tätig werden können. Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, in eine neue Beziehung mit sich selbst, seinem sozialen Umfeld, aber auch mit den Tieren, den Pflanzen und dem Boden zu treten. Dadurch kann eine positive und anziehende Ausstrahlung auf dem ganzen Hof entstehen. Der Hof bildet quasi eine neue Atmosphäre um sich her. Auch Tiere, die respektvoll und wesensgemäss behandelt werden, sowie Pflanzen, Böden und Wälder, alles bildet an dieser Atmosphäre mit und trägt zu ihr bei. Wo mehrere Bäuerinnen und Bauern das tun, können ganze Landschaften und Ökoregionen mit kraftvoller Ausstrahlung und Atmosphäre entstehen. Diese schenken dann wiederum ihre gesundende und regenerierende Kraft der Allgemeinheit, uns allen zurück.

Eines Tages, wenn alle Treuhänderinnen und Treuhänder des Bodens dies weltweit erkannt haben und in ihrer täglichen Arbeit umsetzen, wird auch die Atmosphäre der Erde, unseres lebendigen Planeten, keinen Grund zu einem hitzigen Fieber mehr haben und ihr Klima wird wieder gesunden und abkühlen können.

Wenn wir 4 Promille Humusaufbau pro Jahr auf den weltweiten Ackerflächen betreiben, wird dadurch der gesamte weltweite Co2-Ausstoss im Boden gebunden. Die Klimadebatte wäre damit unter Umständen schnell vom Tisch …!

Eine gesunde und positive Atmosphäre, also auch das Klima der Erde, beginnt mit einer Evolution des Denkens und Handelns von individuellen Menschen!

Albert Schweitzer sagte dazu: „Wer zum Glück der Welt beitragen möchte, der sorge zunächst einmal für eine glückliche Atmosphäre in seinem eigenen Haus.“
Das heisst in seinem eigenen Denken, Fühlen und Wollen, das sich dann im alltäglichen Tun spiegelt.

Unter anderem deshalb setzen wir uns als Bio-Stiftung und insbesondere mit dem Bodenfruchtbarkeitsfonds dafür ein, dass die Bauern die nötigen Freiräume erhalten, diese Atmosphäre auf dem eigenen Hof und Boden zu bilden. Solche Freiräume sind nötig, damit sie nicht Getriebene des Marktes sind, sondern freie Menschen werden können, die bewusst ihre Verantwortung wahrnehmen wollen und können. Diese Arbeit können wir als Bio-Stiftung nur tun, wenn freie und verantwortungsbewusste Individuen, Unternehmen und sonstige Förderer uns durch Spenden und Legate unterstützen, unsere Aktivitäten mittragen und mit ermöglichen. Das sind Investitionen in ein grosses Ganzes, und wenn dieses grosse Ganze gesunden kann, wirkt es auch gesundend auf jeden Einzelnen zurück.

Text: Mathias Foster

Mathias Forster ist Geschäftsführer und Stiftungsratsmitglied der Bio-Stiftung Schweiz und Vorsitzender der Projektleitung des Bodenfruchtbarkeitsfonds.

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