Hof am Stei
Hofportrait: Der Gemischtbetrieb liegt im Kanton Schaffhausen und ist Teil einer Betriebsgemeinschaft. Der Demeter zertifizierte Hof liegt auf steinigem Boden, was gut für den Humusaufbau ist, aber auch seine Herausforderungen mit sich bringt.
Wie in jeder Ausgabe portraitieren wir auch in diesem Magazin wieder einen Partnerhof des BFF. Diesmal führte mich der Weg nach Siblingen im Kanton Schaffhausen. Umgeben von ausgedehnten Waldflächen innerhalb der Gemeinde und den Äckern ihrer Nachbarn in unmittelbarer Nähe, bewirtschaften Margrith und Anno Lutke Schipholt hier ihren Gemischtbetrieb. Auf 27 ha Acker- und Weide-/ Wiesenland werden Getreide, Mais sowie Futtermittel für die Tiere angebaut. Neben 2000 Hühnern leben 33 Rinder in der Aufzucht auf dem Hof sowie einige Schafe. Die Legehennen werden, so wie es früher üblich war, am Ende ihres Lebens zu Suppenhühnern. So wird ihnen die letzte Ehre zuteil. Sie haben dann ihr Leben im mobilen Hühnerstall und auf Kleegraswiesen mit viel Auslauf verbracht. Man kann sie unter anderem in den Filialen der Biomarktkette BachserMärt kaufen. Patrik Honauer, Mitbegründer und Miteigentümer von BachserMärt, sagt über Annos Suppenhühner: «Seine Hennen sind die A-Klasse unter den Suppenhühnern.» Der Hof am Stei ist Teil einer Betriebsgemeinschaft,
zu der auch der einige Kilometer entfernte Randenhof gehört, auf dem Anno einen Teil seiner Jugend verbrachte und der bis Ende 2019 von seinen Eltern Regina und Hermann bewirtschaftet wurde.
Beide Höfe sind Demeter-zertifiziert und ergänzen sich in ihrer Ausrichtung gegenseitig. Margrith koordiniert den vielköpfigen Haushalt, ist verantwortlich für das Fleischangebot der Betriebsgemeinschaft und führt den Hofladen. Der Hof am Stei verdankt seinen Namen den steinigen Böden, die zu ihm gehören. Steiniger Boden eignet sich zwar gut für Humusaufbau und er hat auch
eine grosse Tragfähigkeit, aber gleichzeitig auch eine geringe Wasserhaltekapazität. Zusammen mit den geringen Niederschlägen in der Gegend ist das eine Herausforderung, die Anno aber offenbar gern annimmt. Mit Leidenschaft und Begeisterung spricht er von den Methoden, die er anwendet, um kontinuierlich den Boden zu verbessern und gleichzeitig die Ernteerträge zu steigern, was ihm ausser in Jahren mit extremer Trockenheit offenbar auch ganz gut gelingt. Auf den Ackerflächen kann er Humusgehalte zwischen 5,3 und 7,8 Prozent vorweisen. Bei dem Thema Boden und seiner Entwicklung ist Anno Lutke Schipholt in seinem Element. Seine Begeisterung für das Thema ist ansteckend. Im nachfolgenden Portrait wird daher in der Hauptsache näher beschrieben, wie Anno seine Böden bearbeitet, was ihm dabei wichtig ist und worauf man aus seiner Sicht achten sollte.
Ein Beispiel für reduzierte
Bodenbearbeitung
Anno fährt so selten wie möglich über den Acker, damit der Boden möglichst wenig verdichtet wird. Das geht bei ihm mit ausgeklügelter Technik und einer Methodik, die bereits ziemlich ausgereift zu sein scheint, aber trotzdem noch ständig optimiert wird. Dazu werden permanent Versuchsreihen angelegt, immer auf der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten. Anno arbeitet mit dem Mulchsaatverfahren, bei dem organischer Dünger und Saat nur oberflächlich eingearbeitet werden. Auf den Pflug wird nahezu vollständig verzichtet. Bei der Tiefenlockerung werden ausschliesslich nicht wendende Verfahren angewendet, damit die Bodenlebewesen, die in unterschiedlichen Schichten leben, nicht in ein Milieu gezwungen werden, in dem sie nicht überleben können.
Anno ist gelernter Bauer und ausserdem Landmaschinenmechaniker. Für seine reduzierte Bodenbearbeitung hat er einen Grubber zur Tiefenlockerung mit eingebauter Spritzdüse für die bio-dynamischen Präparate entwickelt, der bereits mehrmals verkauft wurde. Dieser Grubber kommt z.B. nach der Getreideernte Mitte/Ende Juli zum Einsatz, um den Wurzeln der nachfolgenden Gründüngung ein möglichst tiefes Eindringen in den Boden zu ermöglichen und gleichzeitig den Boden mit bio-dynamischen Präparaten zu impfen. Anno ist wichtig, dass die Tiefenlockerung schrittweise geschieht, also immer ein kleines Stück unterhalb der Pflug- oder Grubbersole, sodass die gelockerten mineralischen Bestandteile von den Bodenlebewesen gut mit den organischen Substanzen verbaut werden können. Im gleichen Arbeitsschritt werden die Ernterückstände des Getreides eingefräst und die erste Gründüngung gesät. Und wenn mit längerer Trockenheit zu rechnen ist, wird noch eine Walze hinten drangehängt, damit der Boden wieder verschlossen wird und nicht zu stark austrocknet.
In einem Arbeitsschritt fallen damit zusammen Tiefenlockerung, Spritzen von Präparaten, fräsen, säen, walzen (nur bei Trockenheit). Der Acker wird anschliessend fünf bis sechs Wochen nicht mehr befahren, sondern erst wieder, wenn die erste Gründüngung eingefräst und die zweite, direkt darauf folgende gesät wird. Zu dieser Abfolge gibt es verschiede Varianten, je nach Fruchtfolge und saisonalen Wetterschwankungen. Anno zeigte mir bei meinem Besuch einen Boden, der auf diese Art bearbeitetet wurde. Er erinnerte mich an einen Kuchen, der aussen eine dünne Kruste hat und innen schön saftig ist.
Verschiedene Gründüngungen
Zwei Gründüngungen hintereinander im
Hochsommer erscheint ungewöhnlich, es macht
aber für Anno Sinn:
1. Der Boden wird in der heissen und oft
trockenen Zeit bedeckt, was ihn vor
Austrocknung schützt.
2. Über Photosyntheseprozesse kommen
Nährstoffe in den Boden.
3. Das Bodenleben wird ernährt.
Viele Bauern lassen den Boden in dieser Zeit
unbedeckt liegen und verpassen diese Gelegenheit
des Mehrfachnutzens von Gründüngung für die
Entwicklung ihrer Böden in der Zeit höchster
Sonneneinstrahlung.
Als erste Gründüngung verwendet Anno Buchweizen, der wegen seiner Trockenresistenz gut mit der Hitze und Trockenheit in den Monaten Juli und August zurecht kommt und in der sonnenreichen Zeit über Photosyntheseprozesse viel Blatt- und Wurzelmasse aufbauen kann. Als zweite Gründüngung folgt ein Dominanzgemenge, das von den beiden
Bodenexperten Friedrich Wenz und Dietmar Näser
entwickelt wurde und über die Sativa AG bezogen werden kann. Es handelt sich um eine fein abgestimmte Mischung von insgesamt sechzehn stark deckenden Pflanzen mit unterschiedlichen Wurzeltiefen, die aufgrund ihrer artspezifischen Charakteristika verschiedene Funktionen beim Bodenaufbau übernehmen können. Als Wintersaat verwendet Anno zu zwei Dritteln das abfrierende Dominanzgemenge und zu einem Drittel das ebenfalls von Wenz und Näser entwickelte Wintergrün, sofern er auf der Fläche kein Wintergetreide anbaut. Ein Drittel der Gründüngung friert damit während des Winters nicht ab, sondern sorgt dafür, dass die Aktivität im Boden durchgängig weitergehen kann. Im Frühling ist der Boden idealerweise dann nur zu einem Drittel bedeckt, weil das Dominanzgemenge abgefroren und nur noch das Wintergrün übrig ist, wodurch sich der Boden schneller erwärmen kann. In sehr milden Wintern friert das Dominanzgemenge aber nicht ab, was zu Problemen führen kann.
Anno hat die Erfahrung gemacht, dass wenn intensiv mit Gründüngungen gearbeitet wird, die Fruchtfolge keine so grosse Rolle mehr spielt, weil die einseitige Bodenbeanspruchung dann auf andere Weise ausgeglichen wird.
Bio-dynamische Präparate
Mit der 1. Gründüngung im Juli wird das bio-dynamische Fladenpräparat in den Boden gespritzt. Es hat u.a. die Funktion, die Stoffwechselprozesse im Boden anzuregen. Das bio-dynamische Hornmistpräparat wird gespritzt, um die Pflanzen insgesamt zu stärken, sobald sie sich an der Oberfläche zeigen.
Ausserdem verwendet Anno noch das Kieselpräparat, welches die Pflanzen u.a. bei der Reifung unterstützt. Alle Präparate werden mehrmals im Jahr ausgebracht.
Kompost
Ein wichtiges Element für die kontinuierliche Bodenverbesserung auf dem Hof am Stei ist der hofeigene Kompost. Neben dem Mist von Kühen, Schafen und Hühnern ist Pflanzenkohle ein wichtiger Bestandteil. Sie wird als Einstreu im Stall ausgebracht, wo sie sich mit wertvollen Nährstoffen vollsaugen kann. Pflanzenkohle kann das fünffache ihres Eigengewichts an Flüssigkeit speichern und ist damit ein wertvoller Nährstoff- und Wasserspeicher im Boden.
Ausserdem wird dem Kompost zur Homogenisierung noch Biolist Gesteinsmehl zugefügt.
Wegen der intensiven Gründüngung kann Anno ein Drittel von seinem Kompost an Nachbarn abgeben. Er tauscht ihn gegen Futtermittel für die Hühner ein.
Samenfeste Sorten
Anno verwendet zu siebzig bis achzig Prozent samenfeste Sorten, d.h. Sorten, deren Samen sich wieder zum Anbau eignen. Der höhere Preis im Vergleich zu Hybridsorten, bei denen das nicht möglich ist, interessiert ihn nicht. Samenfeste Sorten entsprechen Annos Qualitätsverständnis. Er weiss die Vorzüge dieser Sorten zu schätzen. Sie wurden nicht im Labor gezüchtet, sondern draussen auf dem Feld, unter realen Lebensbedingungen. Die Genetik der Pflanzen samenfester Sorten ist nicht wie beim Hybridsaatgut identisch, sondern schwankt innerhalb einer gewissen Bandbreite. Das macht sie weniger anfällig für Schädlingsbefall, was im Biolandbau, wo synthetische Pestizide nicht verwendet werden, von entscheidender Bedeutung sein kann. Anno will auch die gute Sache, das heisst für ihn, die wichtige Arbeit der Saatgutzüchter und -hersteller unterstützen.
Gute bäuerliche Praxis
Wie eigentlich immer, wenn ich die Partnerhöfe des BFF besuche, nehme ich wieder viele neue Eindrücke mit nach Hause. Und wie immer tauchte in mir wieder dieselbe Frage auf, die mich so oft bewegt, seit wir den BFF gegründet haben: Was ist eigentlich gute bäuerliche Praxis? Wie kann man sie beschreiben? Mir scheint, dass hier vieles zusammenkommt und, dass Begeisterung ein wichtiges Element ist. Aber woher kommt die Begeisterung? Wodurch wird sie entfacht und am Leben gehalten? Wirklich gute Bauern scheinen mir solche zu sein, die mehr erreichen wollen als Geld zu verdienen oder als Betrieb zu überleben. Sie haben Freude an ihrem Beruf und erleben die hohe Sinnhaftigkeit ihres Tuns, was sie stolz macht, und das zurecht. Es sind Menschen, die gelernt haben, ihre eigenen Wege zu gehen. Sie sind aufmerksame Beobachter, sie stellen sich Fragen und sind erst zufrieden, wenn sie Antworten gefunden haben, die praxistauglich sind. Sie machen ihre Erfahrungen, auch weniger gute, und korrigieren daraufhin ihre Praxis. Sie schauen Prozesse, Pflanzen und Tiere nicht nur von aussen an, sondern entdecken die grossen und tiefen Zusammenhänge, die zwischen den verschiedenen Lebewesen bestehen, aber sie entdecken diese Zusammenhänge nicht für eine theoretische Wissenschaft, sondern für ihre bäuerliche Praxis, als Tätige in der Natur, als tätige Mitgestalter an der Natur. Wissenschaftliche Erkenntnis wird von guten Bauern immer auf ihre Praxistauglichkeit hin überprüft und gegebenenfalls modifiziert. Es ist ein Gespräch mit der Natur, ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Und die Natur dankt es ihnen, durch fruchtbare Böden und stabile Ernteerträge, durch die hohe Qualität des Fleisches, des Getreides, der Eier, der Milch.
Wir wünschen der Familie Lutke Schipholt weiterhin gutes Gelingen für die Zukunft.
www.randenhof.ch
«Das Wissen, das sich ein Bauer aneignet,
sollte er nicht für sich behalten.
Es sollte Allgemeingut werden».
Text von: Christopher Schümann
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Hof am Stei
Hofportrait: Der Gemischtbetrieb liegt im Kanton Schaffhausen und ist Teil einer Betriebsgemeinschaft. Der Demeter zertifizierte Hof liegt auf steinigem Boden, was gut für den Humusaufbau ist, aber auch seine Herausforderungen mit sich bringt.
Wie in jeder Ausgabe portraitieren wir auch in diesem Magazin wieder einen Partnerhof des BFF. Diesmal führte mich der Weg nach Siblingen im Kanton Schaffhausen. Umgeben von ausgedehnten Waldflächen innerhalb der Gemeinde und den Äckern ihrer Nachbarn in unmittelbarer Nähe, bewirtschaften Margrith und Anno Lutke Schipholt hier ihren Gemischtbetrieb. Auf 27 ha Acker- und Weide-/ Wiesenland werden Getreide, Mais sowie Futtermittel für die Tiere angebaut. Neben 2000 Hühnern leben 33 Rinder in der Aufzucht auf dem Hof sowie einige Schafe. Die Legehennen werden, so wie es früher üblich war, am Ende ihres Lebens zu Suppenhühnern. So wird ihnen die letzte Ehre zuteil. Sie haben dann ihr Leben im mobilen Hühnerstall und auf Kleegraswiesen mit viel Auslauf verbracht. Man kann sie unter anderem in den Filialen der Biomarktkette BachserMärt kaufen. Patrik Honauer, Mitbegründer und Miteigentümer von BachserMärt, sagt über Annos Suppenhühner: «Seine Hennen sind die A-Klasse unter den Suppenhühnern.» Der Hof am Stei ist Teil einer Betriebsgemeinschaft,
zu der auch der einige Kilometer entfernte Randenhof gehört, auf dem Anno einen Teil seiner Jugend verbrachte und der bis Ende 2019 von seinen Eltern Regina und Hermann bewirtschaftet wurde.
Beide Höfe sind Demeter-zertifiziert und ergänzen sich in ihrer Ausrichtung gegenseitig. Margrith koordiniert den vielköpfigen Haushalt, ist verantwortlich für das Fleischangebot der Betriebsgemeinschaft und führt den Hofladen. Der Hof am Stei verdankt seinen Namen den steinigen Böden, die zu ihm gehören. Steiniger Boden eignet sich zwar gut für Humusaufbau und er hat auch
eine grosse Tragfähigkeit, aber gleichzeitig auch eine geringe Wasserhaltekapazität. Zusammen mit den geringen Niederschlägen in der Gegend ist das eine Herausforderung, die Anno aber offenbar gern annimmt. Mit Leidenschaft und Begeisterung spricht er von den Methoden, die er anwendet, um kontinuierlich den Boden zu verbessern und gleichzeitig die Ernteerträge zu steigern, was ihm ausser in Jahren mit extremer Trockenheit offenbar auch ganz gut gelingt. Auf den Ackerflächen kann er Humusgehalte zwischen 5,3 und 7,8 Prozent vorweisen. Bei dem Thema Boden und seiner Entwicklung ist Anno Lutke Schipholt in seinem Element. Seine Begeisterung für das Thema ist ansteckend. Im nachfolgenden Portrait wird daher in der Hauptsache näher beschrieben, wie Anno seine Böden bearbeitet, was ihm dabei wichtig ist und worauf man aus seiner Sicht achten sollte.
Ein Beispiel für reduzierte
Bodenbearbeitung
Anno fährt so selten wie möglich über den Acker, damit der Boden möglichst wenig verdichtet wird. Das geht bei ihm mit ausgeklügelter Technik und einer Methodik, die bereits ziemlich ausgereift zu sein scheint, aber trotzdem noch ständig optimiert wird. Dazu werden permanent Versuchsreihen angelegt, immer auf der Suche nach Optimierungsmöglichkeiten. Anno arbeitet mit dem Mulchsaatverfahren, bei dem organischer Dünger und Saat nur oberflächlich eingearbeitet werden. Auf den Pflug wird nahezu vollständig verzichtet. Bei der Tiefenlockerung werden ausschliesslich nicht wendende Verfahren angewendet, damit die Bodenlebewesen, die in unterschiedlichen Schichten leben, nicht in ein Milieu gezwungen werden, in dem sie nicht überleben können.
Anno ist gelernter Bauer und ausserdem Landmaschinenmechaniker. Für seine reduzierte Bodenbearbeitung hat er einen Grubber zur Tiefenlockerung mit eingebauter Spritzdüse für die bio-dynamischen Präparate entwickelt, der bereits mehrmals verkauft wurde. Dieser Grubber kommt z.B. nach der Getreideernte Mitte/Ende Juli zum Einsatz, um den Wurzeln der nachfolgenden Gründüngung ein möglichst tiefes Eindringen in den Boden zu ermöglichen und gleichzeitig den Boden mit bio-dynamischen Präparaten zu impfen. Anno ist wichtig, dass die Tiefenlockerung schrittweise geschieht, also immer ein kleines Stück unterhalb der Pflug- oder Grubbersole, sodass die gelockerten mineralischen Bestandteile von den Bodenlebewesen gut mit den organischen Substanzen verbaut werden können. Im gleichen Arbeitsschritt werden die Ernterückstände des Getreides eingefräst und die erste Gründüngung gesät. Und wenn mit längerer Trockenheit zu rechnen ist, wird noch eine Walze hinten drangehängt, damit der Boden wieder verschlossen wird und nicht zu stark austrocknet.
In einem Arbeitsschritt fallen damit zusammen Tiefenlockerung, Spritzen von Präparaten, fräsen, säen, walzen (nur bei Trockenheit). Der Acker wird anschliessend fünf bis sechs Wochen nicht mehr befahren, sondern erst wieder, wenn die erste Gründüngung eingefräst und die zweite, direkt darauf folgende gesät wird. Zu dieser Abfolge gibt es verschiede Varianten, je nach Fruchtfolge und saisonalen Wetterschwankungen. Anno zeigte mir bei meinem Besuch einen Boden, der auf diese Art bearbeitetet wurde. Er erinnerte mich an einen Kuchen, der aussen eine dünne Kruste hat und innen schön saftig ist.
Verschiedene Gründüngungen
Zwei Gründüngungen hintereinander im
Hochsommer erscheint ungewöhnlich, es macht
aber für Anno Sinn:
1. Der Boden wird in der heissen und oft
trockenen Zeit bedeckt, was ihn vor
Austrocknung schützt.
2. Über Photosyntheseprozesse kommen
Nährstoffe in den Boden.
3. Das Bodenleben wird ernährt.
Viele Bauern lassen den Boden in dieser Zeit
unbedeckt liegen und verpassen diese Gelegenheit
des Mehrfachnutzens von Gründüngung für die
Entwicklung ihrer Böden in der Zeit höchster
Sonneneinstrahlung.
Als erste Gründüngung verwendet Anno Buchweizen, der wegen seiner Trockenresistenz gut mit der Hitze und Trockenheit in den Monaten Juli und August zurecht kommt und in der sonnenreichen Zeit über Photosyntheseprozesse viel Blatt- und Wurzelmasse aufbauen kann. Als zweite Gründüngung folgt ein Dominanzgemenge, das von den beiden
Bodenexperten Friedrich Wenz und Dietmar Näser
entwickelt wurde und über die Sativa AG bezogen werden kann. Es handelt sich um eine fein abgestimmte Mischung von insgesamt sechzehn stark deckenden Pflanzen mit unterschiedlichen Wurzeltiefen, die aufgrund ihrer artspezifischen Charakteristika verschiedene Funktionen beim Bodenaufbau übernehmen können. Als Wintersaat verwendet Anno zu zwei Dritteln das abfrierende Dominanzgemenge und zu einem Drittel das ebenfalls von Wenz und Näser entwickelte Wintergrün, sofern er auf der Fläche kein Wintergetreide anbaut. Ein Drittel der Gründüngung friert damit während des Winters nicht ab, sondern sorgt dafür, dass die Aktivität im Boden durchgängig weitergehen kann. Im Frühling ist der Boden idealerweise dann nur zu einem Drittel bedeckt, weil das Dominanzgemenge abgefroren und nur noch das Wintergrün übrig ist, wodurch sich der Boden schneller erwärmen kann. In sehr milden Wintern friert das Dominanzgemenge aber nicht ab, was zu Problemen führen kann.
Anno hat die Erfahrung gemacht, dass wenn intensiv mit Gründüngungen gearbeitet wird, die Fruchtfolge keine so grosse Rolle mehr spielt, weil die einseitige Bodenbeanspruchung dann auf andere Weise ausgeglichen wird.
Bio-dynamische Präparate
Mit der 1. Gründüngung im Juli wird das bio-dynamische Fladenpräparat in den Boden gespritzt. Es hat u.a. die Funktion, die Stoffwechselprozesse im Boden anzuregen. Das bio-dynamische Hornmistpräparat wird gespritzt, um die Pflanzen insgesamt zu stärken, sobald sie sich an der Oberfläche zeigen.
Ausserdem verwendet Anno noch das Kieselpräparat, welches die Pflanzen u.a. bei der Reifung unterstützt. Alle Präparate werden mehrmals im Jahr ausgebracht.
Kompost
Ein wichtiges Element für die kontinuierliche Bodenverbesserung auf dem Hof am Stei ist der hofeigene Kompost. Neben dem Mist von Kühen, Schafen und Hühnern ist Pflanzenkohle ein wichtiger Bestandteil. Sie wird als Einstreu im Stall ausgebracht, wo sie sich mit wertvollen Nährstoffen vollsaugen kann. Pflanzenkohle kann das fünffache ihres Eigengewichts an Flüssigkeit speichern und ist damit ein wertvoller Nährstoff- und Wasserspeicher im Boden.
Ausserdem wird dem Kompost zur Homogenisierung noch Biolist Gesteinsmehl zugefügt.
Wegen der intensiven Gründüngung kann Anno ein Drittel von seinem Kompost an Nachbarn abgeben. Er tauscht ihn gegen Futtermittel für die Hühner ein.
Samenfeste Sorten
Anno verwendet zu siebzig bis achzig Prozent samenfeste Sorten, d.h. Sorten, deren Samen sich wieder zum Anbau eignen. Der höhere Preis im Vergleich zu Hybridsorten, bei denen das nicht möglich ist, interessiert ihn nicht. Samenfeste Sorten entsprechen Annos Qualitätsverständnis. Er weiss die Vorzüge dieser Sorten zu schätzen. Sie wurden nicht im Labor gezüchtet, sondern draussen auf dem Feld, unter realen Lebensbedingungen. Die Genetik der Pflanzen samenfester Sorten ist nicht wie beim Hybridsaatgut identisch, sondern schwankt innerhalb einer gewissen Bandbreite. Das macht sie weniger anfällig für Schädlingsbefall, was im Biolandbau, wo synthetische Pestizide nicht verwendet werden, von entscheidender Bedeutung sein kann. Anno will auch die gute Sache, das heisst für ihn, die wichtige Arbeit der Saatgutzüchter und -hersteller unterstützen.
Gute bäuerliche Praxis
Wie eigentlich immer, wenn ich die Partnerhöfe des BFF besuche, nehme ich wieder viele neue Eindrücke mit nach Hause. Und wie immer tauchte in mir wieder dieselbe Frage auf, die mich so oft bewegt, seit wir den BFF gegründet haben: Was ist eigentlich gute bäuerliche Praxis? Wie kann man sie beschreiben? Mir scheint, dass hier vieles zusammenkommt und, dass Begeisterung ein wichtiges Element ist. Aber woher kommt die Begeisterung? Wodurch wird sie entfacht und am Leben gehalten? Wirklich gute Bauern scheinen mir solche zu sein, die mehr erreichen wollen als Geld zu verdienen oder als Betrieb zu überleben. Sie haben Freude an ihrem Beruf und erleben die hohe Sinnhaftigkeit ihres Tuns, was sie stolz macht, und das zurecht. Es sind Menschen, die gelernt haben, ihre eigenen Wege zu gehen. Sie sind aufmerksame Beobachter, sie stellen sich Fragen und sind erst zufrieden, wenn sie Antworten gefunden haben, die praxistauglich sind. Sie machen ihre Erfahrungen, auch weniger gute, und korrigieren daraufhin ihre Praxis. Sie schauen Prozesse, Pflanzen und Tiere nicht nur von aussen an, sondern entdecken die grossen und tiefen Zusammenhänge, die zwischen den verschiedenen Lebewesen bestehen, aber sie entdecken diese Zusammenhänge nicht für eine theoretische Wissenschaft, sondern für ihre bäuerliche Praxis, als Tätige in der Natur, als tätige Mitgestalter an der Natur. Wissenschaftliche Erkenntnis wird von guten Bauern immer auf ihre Praxistauglichkeit hin überprüft und gegebenenfalls modifiziert. Es ist ein Gespräch mit der Natur, ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Und die Natur dankt es ihnen, durch fruchtbare Böden und stabile Ernteerträge, durch die hohe Qualität des Fleisches, des Getreides, der Eier, der Milch.
Wir wünschen der Familie Lutke Schipholt weiterhin gutes Gelingen für die Zukunft.
www.randenhof.ch
«Das Wissen, das sich ein Bauer aneignet,
sollte er nicht für sich behalten.
Es sollte Allgemeingut werden».
Text von: Christopher Schümann